Gestern, Tobias Beck Rehbellion Tour Münster. Und ich stehe auf dem Stuhl und bade im Applaus.
Christoph Korte und ich haben uns entschieden, vor der Europahalle Free Hugs anzubieten – natürlich mit Abstand, es ist ja nicht unsere Veranstaltung.
„Menschen, die zu Tobi Beck gehen, müssten ja gut zu uns passen“, hat sich Christoph gedacht, der seine Community in Münster weiterhin vergrößert.
Es sind recht wenig Menschen unterwegs, tröpfelweise kommen kleine Gruppen von Menschen an uns vorbei. Einige sehen uns und weichen vorsichtshalber weit aus. Andere verstehen nicht, was wir da machen, weil sie nicht wissen, was „Hugs“ heißt.
Vom Hotel, ein paar Schritte weiter, kommt ein Pärchen rüber. Sie sind aus Portugal zu Besuch, holen sich Umarmungen ab und finden das wunderbar! Zwischendurch immer wieder herzliche Begegnungen, Umarmungen, Lachen… „Wir wünschen euch viel Spaß heute Abend!“, „Genießt es!“, „Es wird bestimmt ganz toll!“
„Seid ihr auch gleich dabei?“ werde ich gefragt.
„Nein“, antworte ich, „wir haben gar keine Karten. Aber wir schauen gleich mal, ob es Rückläufer gibt.“
„Ach, ihr gehört gar nicht zum Team vom Tobi? Das ist ja krass, warum macht ihr das denn?“
Weil wir es lieben!
Weil wir finden, dass das ein guter Einstieg in die Veranstaltung ist.
Weil wir die Menschen wieder näherbringen wollen.
Weil wir den Menschen mitteilen wollen, dass auch in Münster gerade eine Community wächst, die sich mit Themen wie Persönlichkeitswachstum und Spiritualität auseinandersetzt und wo jeder herzlich willkommen ist. Wo es um Gemeinschaft geht, um den Austausch, die Reflexion und um einfach Spaß zu haben.
Die Freude darüber ist groß! Wir stellen fest, dass sich viele Menschen wie auf einer Insel fühlen. Sie suchen nach Tiefe, finden diese nur bedingt in ihrem Umfeld. Was soll ich sagen? Da waren wir wohl am richtigen Ort.
Es ist 19:50 Uhr und wir gehen zum Eingang. Kartenrückläufer gibt es keine, aber Christoph ist auf Draht.
Kleinanzeigen zeigt an: Es sind zwei Tickets zu verkaufen. Wenn nur der Verkäufer mit seiner Technik klarkäme und es hinbekommen würde, die Tickets auch an Christoph zu senden – okay, er müsste dazu auch erstmal herausfinden, wo er sie in seinen Mails hat…
Bis er so weit ist, ist es 20:15 Uhr. Wir freuen uns über den Schnappi (2 Karten für gesamt 45 €) und der Verkäufer darüber, dass er wenigstens noch komplett drauf sitzen geblieben ist. Win-win.
Und so sitzen wir, mit etwas Verspätung, in Reihe 6 in dem recht kleinen Saal. Für mich ist das schon fast intim, bin ich früher doch häufig eher bei diesen ganz großen Events gewesen. Wir sehen und hören Tobi aus nächster Nähe. Seine neue Brille ist etwas ungewohnt, das Licht spiegelt, bricht sich in den Gläsern. Seine Energie? Ungebrochen.
Er wirbelt uns durcheinander, lädt uns zum Austausch ein, unser Bewusstsein weitet sich, wir klatschen, steigern unsere Energie, fühlen… und dann erzählt er von seinem Zusammenbruch. Und dass er sich selbst nicht mehr heraushelfen konnte. Ich erkenne mich wieder, diese Zeit habe ich auch hinter mir.
Bei ihm war es die Wut, die ihm rausgeholfen hat. Ein alter Freund ist es, der ihn daran erinnert, wer er mal war. Wer er eigentlich ist und dass er sich darüber klar werden sollte, was ihn so wütend macht, dass es ihn schon lähmt!
Das hat seinen Stillstand, diese Unfähigkeit, sich zu bewegen, gelöst! Er tobt auf der Bühne, schreit fast, als er herausbrüllt, worüber er wütend war! Und er berichtet, was er dagegen unternommen hat.
Und Tobi fragt uns: „Worüber bist du wütend? Was macht dich so richtig sauer, worüber regst du dich auf? Und was tust du dagegen?“
Er nimmt sein rotes Wurfmikrofon in die Hand und da steht auch schon Olga in der zweiten Reihe auf und winkt. Tobi wirft ihr das Mikro zu. „Stell dich auf den Stuhl, damit alle dich sehen können!“ „Ich bin wütend über unser Schulsystem, was dort mit den Kindern gemacht wird…“
Sie berichtet über ihre Erfahrungen als Mutter und wie hilflos sie sich oft fühlt, wie es den Kindern geht und dass sich dringend etwas ändern muss. „Was tust du dagegen?!“ Olga überlegt. „Insta. Meine Produkte“, sagt sie.
Dann geht Tobi mit ihr einen Deal ein: 1 Woche jeden Tag zum Thema posten und er teilt ihre Beiträge – und alle anderen im Saal auch! Der Saal applaudiert, da sind wir mit dabei.
Tobi schaut sich um, wer bekommt das Mikro als nächster? „Wer ist wütend über etwas und was tut er dagegen?“ „Hör auf dein Herz, folge deinen Impulsen“, höre ich in mir und zack: Steffi steht auf und winkt, schneller als Schmitz‘ Katze! Vor allem, schneller als mein Verstand. Tobi lacht und wirft mir das Mikro zu. „Stell dich auf den Stuhl und sag uns, was macht dich wütend?“
Und fast in einem Satz sprudelt es aus mir heraus: „Mich macht wütend, dass die Politik und die Medien uns so auseinandergetrieben haben. Die Menschen so gestresst und ängstlich gemacht hat und voneinander getrennt hat, kaum noch echte Verbindungen bestehen und die Menschen nicht mal mehr mit sich selbst verbunden sind! Und deshalb stehe ich alle paar Wochen auf dem Markt in Münster und biete FREE HUGS an!“
Der Saal tobt, alle applaudieren!
Christoph hält sein „FREE HUGS“ Schild hoch, „Gib ihr das Schild, gib ihr das Schild!“ ruft Tobi und Christoph gibt mir sein Schild in die Hand.
Ich stehe auf dem Stuhl, halte das Schild in der Hand, bade im Applaus, während ich mich langsam im Kreis drehe.
GÄNSEHAUT! DANKBARKEIT!
Diese Freude, dieser Zuspruch, diese Begeisterung der Menge und in mir kommt hoch: Ja, ich tu etwas. Ich rede nicht nur. Ich plane nicht nur. Ich stehe auf, packe meinen Rucksack, fahre in die Stadt, stelle mich auf den Marktplatz und gebe den Menschen etwas.
Eine kleine Geste. Ein Lächeln, eine Umarmung, ein Gespräch. Eigentlich doch etwas ganz Einfaches, Selbstverständliches, Kleines…
Und da ist dieses etwas merkwürdige Gefühl in mir. Ich spüre nach. Ungewohnt.
Ich fühle Dankbarkeit… mir selbst gegenüber.
Was nimmt dir die Energie, lähmt dich? Ist es vielleicht auch eine unterdrückte Wut? Kannst du sie fühlen? Was tust du dagegen?