Was braucht der Mensch?

Stefanie in Berlin Teil 1

by Stefanie Siebe

Ich dachte, ich würde lächeln…

Berlin Teil 1: Was braucht der Mensch? 🌞🚶‍♀️
Ich laufe durch die Straßen von Berlin, die Sonne scheint, die Stadt ist voller Menschen. Voller Vorfreude habe ich mich vor einigen Stunden auf den Weg gemacht, um den Tag zu erleben. Treiben lassen wollte ich mich. Grobes Ziel: die Berliner Innenstadt. 🏙️
Die Fahrt mit den Öffis, dem Schienenersatzverkehr und der U-Bahn läuft ohne Probleme (für mich als Landei eine klare Herausforderung!). Schon im Bus komme ich mit einer Frau ins Gespräch. „Was empfehlen Sie mir, was sollte ich mir anschauen?“ frage ich sie. Checkpoint Charlie und die Ausstellung. Das Brandenburger Tor, die Spree, so ihre Empfehlung. 🚌🚇
Sie nimmt auch die U6 und wir sitzen schräg gegenüber. Sie ist es, die mir leise zuraunt, fast lese ich ihre Lippen, „auch das ist Berlin“, als ein Obdachloser mit einem Helm auf dem Kopf einsteigt und sich neben mich setzt, ein Sitz zwischen uns. 😟
„Ey! NIMM DEN FINGER RUNTER! NIMM DEINEN VERDAMMTEN FINGER RUNTER!“ geht er laut und aggressiv das Mädchen gegenüber an, das ihr Handy in der Hand hält. Sie sieht ihn an. Unsicher. „WAS HABE ICH DIR GESAGT! DU SOLLST DEINEN FINGER RUNTERNEHMEN!“ Ihre Augen werden groß, sie nimmt ihre Tasche und setzt sich woanders hin. Der Mann neben ihr gleich mit. 📱😨
Ich fühle in mich hinein. Was soll ich machen? Auch gehen? Sitzen bleiben und abwarten?
Er nimmt seinen Helm vom Kopf. Murmelt vor sich hin, schreit plötzlich wieder los: „EY! TRINK NICHT ALLES AUF EINMAL!“ Eine Frau an der Tür füllt Vodka aus einer kleinen Flasche in ihre Trinkflasche. „DU SOLLST NICHT ALLES AUF EINMAL TRINKEN, HABE ICH DIR GESAGT!“ schreit er zu ihr herüber. Sie reagiert nicht. Irgendwie ist sie gar nicht anwesend. Er redet vor sich hin. 🥃😤
Ich verstärke die Energie in meiner Aura. Will abwarten, wie sich das auswirkt. Trotzdem merke ich, dass ich mich irgendwie ablenken muss.
Links neben mir sitzt eine Frau mit Kopftuch und liest etwas auf ihrem Handy. Die Schrift ist mir fremd. „Entschuldigen Sie bitte, darf ich Sie etwas fragen?“ spreche ich sie an. Sie schaut mir in die Augen und nickt. „Was für eine Schrift ist das? Sie sieht wunderschön aus.“ Sie erklärt mir, dass das arabische Schrift ist und sie den Koran liest. Dass man diesen in der originalen Schrift lesen solle. Es ist ein angenehmes Gespräch und ich vergesse einen Moment, wer da auf der anderen Seite neben mir sitzt. 🧕📖
Plötzlich knallt der Helm mit voller Wucht, von Hand bewusst geführt, auf den Boden, direkt neben meinen Fuß, ich kann ihn spüren. Ich bin selbst über mich erstaunt, ich erschrecke mich nicht einmal, ich unterhalte mich einfach weiter, ignoriere ihn.
Er steigt an der nächsten Haltestelle aus. Kollektives Aufatmen in der Umgebung. 😅🚉
Kurt-Schumacher-Damm, das ist mein Ausstieg. 🚶‍♀️
Ich laufe eine laute, dreckige Straße entlang. Viele Menschen, es ist warm. Ich schaue mich um, stöbere in einem Second-Hand-Laden, gehe in das trostlose Kaufhaus Lafayette, ehemals ein prachtvolles, berühmtes Einkaufsparadies, jetzt nicht viel mehr als ein Skelett von Restposten, zusammengehalten von leeren Regalen und Schaukästen. Hier gehe ich auf Toilette und komme kurz danach wieder in ein Gespräch mit einer Verkäuferin. Sie berichtet von der Veränderung in Berlin, wie traurig der Untergang des Kaufhauses sei, wie mühselig die Anreise zur Arbeit ist, von ihren Zukunftsängsten. 🏬💬
Ich höre zu, nehme auf.
Die Beach-Bar, an der ich vorbeikomme, finde ich wunderbar. Sand, Palmen, Liegestühle, Street Food, eine kleine Insel im grauen Einerlei der Straßen, durch die ich bisher gelaufen bin. Irgendwie fühle ich mich leer. Vielleicht hilft Essen? Ich bestelle mir eine türkische Pizza und schmecke nichts. Hmmm… 🌴🍕🤔
Beim Weitergehen komme ich an den großen Stellwänden vorbei, auf denen über die Geschichte Berlins informiert wird, Karten der alten Berliner Mauer, wichtige Eckdaten. Normalerweise interessiert mich so etwas sehr, aber als ich angesprochen werde, ob ich Englisch spreche und mir sofort die Hand unter die Nase gehalten wird, fühle ich mich weitergetrieben, schiebe mich durch die Touristenmassen.
Und da ist er: der berühmte Checkpoint Charlie. Weitere Stellwände, ein kleiner Rest der alten Berliner Mauer. 📸
Hey, Steffi in Berlin! Das muss doch festgehalten werden, die Sonne scheint, ein Selfie, lächeln in die Kamera, das Bild gecheckt und ich sehe: einen unglücklichen Menschen. Oha. 😔
„Was brauche ich jetzt?“ denke ich, wo ist denn meine Freude hin?
Ich entscheide mich, zum Brandenburger Tor und dem Tiergarten zu laufen, durch kleinere Straßen, wie sieht es da aus? Hohe Häuserreihen, alt und neu gemischt, überall die unvermeidlichen Antennen für den Mobilfunk, kaum zählbar.
„Wie kann man hier leben?“ frage ich mich. Nur Beton, 24/7 den Funkwellen ausgesetzt, kein Bodenkontakt, kein Grün… 🏢📡
Am Brandenburger Tor angekommen, sehe ich gleich die Absperrung. Für die EM und weitere Veranstaltungen ist direkt hinter dem Tor alles dicht und ich komme gar nicht ins Grün. 🚧
Das Foto mit dem Brandenburger Tor muss natürlich noch sein, für meine Tochter, die gerade auf einer Rucksackreise in Kolumbien ist. Sehe ich glücklich aus? Ich gebe mir Mühe. 📸🎒
Ok, grün bekomme ich jetzt nicht, aber Wasser, das wird mir guttun. Die Spree ist nahe … und desillusioniert mich vollends. 💧
Ein Kanal in Beton eingefasst. Ich beschließe, wieder zurück nach Reinickendorf zu fahren. 🚉

Was habe ich erwartet? Ich wollte schauen, was mir der Tag bringt, mich von meinem inneren Gefühl leiten lassen, mich berühren lassen von Begegnungen, besonderen Eindrücken, und Museums-Tag-würdige Erinnerungen mitnehmen.
Letztlich habe ich das. Nur nicht in dem Sinne, wie ich mir das erhofft habe.
Ich war zu unklar in meinen Wünschen, wollte mich überraschen lassen.
Geblieben ist diese Frage in mir: Was braucht der Mensch, um sich beseelt, glücklich und kraftvoll zu fühlen und auch zu sein?
Wie kann das gelingen in so einer Umgebung?
Mir gelingt es nicht. Ich brauche andere Dinge und so fahre ich nachdenklich, emotionsarm und müde zurück. 😞
Weiter in Teil 2
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